Ein komplexer projektiver Raum ist in der Mathematik der projektive Raum eines komplexen Vektorraumes, welcher sämtliche komplexe Ursprungsgeraden (eindimensionale komplexe Untervektorräume, also zweidimensionale reelle Untervektorräume) von diesem enthält.
notiert dabei den projektiven Raum von
und wird
-ter komplexer projektiver Raum genannt. Ein komplexer projektiver Raum ist ein Spezialfall einer Graßmann-Mannigfaltigkeit durch
.
Konstruktion
Auf dem komplexen euklidischen Raum
ohne Ursprung ist die Relation
, wenn es einen komplexen Skalar
mit
gibt, eine Äquivalenzrelation.
ist der Faktorraum von
unter dieser Äquivalenzrelation.[1] Die Äquivalenzklasse einer Koordinate
wird als
notiert. Dieser Raum ist eine komplexe Mannigfaltigkeit, was an der alternativen Definition durch die eindimensionalen Untervektorräume von
, also als Graßmann-Mannigfaltigkeit
, erkennbar ist. Dabei gilt:
.
Eine alternative Konstruktion ist die Einschränkung auf die Sphären
und
bei der Betrachtung dieser Äquivalenzrelation.[1] Dadurch ergibt sich ein Faserbündel:[2]
![{\displaystyle S^{1}\rightarrow S^{2n+1}\rightarrow \mathbb {C} P^{n}.}](https://wikimedia.org/api/rest_v1/media/math/render/svg/d4cda655d5163873645614227ce74afeae100b52)
Niedrigdimensionale Beispiele
ist der einpunktige Raum.
wird komplexe projektive Linie oder Riemannsche Zahlenkugel genannt und ist homöomorph zur
-Sphäre
.[3] Die zusammen mit der kanonischen Projektion
erzeugte Abbildung
zwischen Sphären ist die komplexe Hopf-Faserung
.[4]
wird komplexe projektive Ebene genannt. Nach dem Arnold–Kuiper–Massey-Theorem ist der Quotientenraum unter Wirkung der ersten orthogonalen Gruppe
(also durch komplexe Konjugation) die
-Sphäre:[5] ![{\displaystyle \mathbb {C} P^{2}/\operatorname {O} (1)\cong S^{4}.}](https://wikimedia.org/api/rest_v1/media/math/render/svg/9e3f3eabbd606f116f1bc8d7a0d247dfbe833a29)
ist homöomorph zum den Faktorräumen
und
.[6] Mit der ersten Darstellung ergibt sich eine einfache Formulierung der Calabi–Penrose-Faserung (oder Twistor-Faserung).
Eigenschaften
- Jede stetige Abbildung
mit
gerade hat einen Fixpunkt (also
die Fixpunkteigenschaft für
gerade).[7] Für
ungerade gilt dies nicht, da dann die Abbildung
keinen Fixpunkt hat.[7] - Es ist
(mit der Konvention
).[8]
CW-Struktur
Der komplexer projektive Raum
ist ein CW-Komplex.
entsteht aus
durch Anklebung einer
-Zelle. Da
aus einer
-Zelle besteht, hat die CW-Struktur auf
daher eine Zelle in jeder geraden Dimension
von
.[9][10][11]
Verbindung mit dem reellen projektiven Raum
Die reellen projektiven Räume lassen sich mit den komplexen projektiven Räumen verbinden.
ist isomorph zu
als
-Vektorraum durch den
-Vektorraumisomorphismus:
![{\displaystyle \phi \colon \mathbb {R} ^{2n}\rightarrow \mathbb {C} ^{n},(x,y)\mapsto x+iy.}](https://wikimedia.org/api/rest_v1/media/math/render/svg/87253ace5f11b8842dea4e50d3c29deba92f77ba)
Durch den Übergang auf die jeweiligen Äquivalenzklassen ihrer projektiven Räume ergibt sich eine stetige Abbildung:
![{\displaystyle [\phi ]\colon \mathbb {R} P^{2n-1}\rightarrow \mathbb {C} P^{n-1},[x]\mapsto [\phi (x)].}](https://wikimedia.org/api/rest_v1/media/math/render/svg/afd07e401f2582b1e87b50d64815005cec7785ce)
Diese Abbildung ist wohldefiniert, denn für
, für die ein
mit
existiert (also
in
), gilt
(also
in
), da
ein
-Vektorraumisomorphismus ist. Es ergibt sich sogar ein Faserbündel:
![{\displaystyle S^{1}\rightarrow \mathbb {R} P^{2n-1}\rightarrow \mathbb {C} P^{n-1}.}](https://wikimedia.org/api/rest_v1/media/math/render/svg/c672733a0ab24d98dfab58b08ed515558aa12e4e)
Für
ergibt sich dabei mit
der Spezialfall:
![{\displaystyle S^{1}\rightarrow \mathbb {R} P^{3}\rightarrow S^{2}.}](https://wikimedia.org/api/rest_v1/media/math/render/svg/882f2ae30592bb8554978e1da33bf8aac30f8ea3)
Algebraische Topologie
Homotopie
Die Homotopiegruppen des komplexen projektiven Raumes
lassen sich über die lange exakte Sequenz von Homotopiegruppen[12] des Faserbündels
berechnen und sind gegeben durch:[13]
![{\displaystyle \pi _{k}(\mathbb {C} P^{n})\cong {\begin{cases}0&;k=1\\\mathbb {Z} &;k=2\\\pi _{k}(S^{2n+1})&;k>2\end{cases}}.}](https://wikimedia.org/api/rest_v1/media/math/render/svg/18b14c51a45cdf4ff5a3a02f563fc91856ab5b70)
Homologie
Die Homologiegruppen des komplexen projektiven Raumes
lassen sich über zelluläre Homologie aus dessen CW-Struktur berechnen und sind mit einer abelsche Gruppe
gegeben durch:[13][14]
![{\displaystyle H_{k}(\mathbb {C} P^{n};G)\cong {\begin{cases}G&;k{\text{ gerade}},0\leq k\leq 2n\\1&;{\text{sonst.}}\end{cases}}.}](https://wikimedia.org/api/rest_v1/media/math/render/svg/1a68a19ae8b6a30f82b60242f0cdb79c538274b7)
Kohomologie
Die Kohomologiegruppen des komplexen projektiven Raumes
sind mit einer abelsche Gruppe
gegeben durch:[9][13][15]
![{\displaystyle H^{k}(\mathbb {C} P^{n};G)\cong {\begin{cases}G&;k{\text{ gerade}},0\leq k\leq 2n\\1&;{\text{sonst.}}\end{cases}}.}](https://wikimedia.org/api/rest_v1/media/math/render/svg/d1a4b8c42ada0b7c8a1169510e5b3c5480cb36fa)
Für den Kohomologiering gilt:[16]
![{\displaystyle H^{*}(\mathbb {C} P^{n};\mathbb {Z} )=\mathbb {Z} [c_{1}]/(c_{1}^{n+1}),}](https://wikimedia.org/api/rest_v1/media/math/render/svg/6577440b333a525f24c611f1a3c4fd52e6492276)
wobei
die erste Chern-Klasse ist.
K-Theorie
Tautologisches Linienbündel
Es gibt ein kanonisches (komplexes) Linienbündel über dem komplexen projektiven Vektorraum
, da dessen Punkte per Konstruktion aus eindimensionalen (komplexen) Untervektorräumen bestehen, definiert durch:
![{\displaystyle \gamma _{\mathbb {C} }^{1,n}:=\{(z,V)\in \mathbb {C} ^{n+1}\times \mathbb {C} P^{n}|z\in V\}}](https://wikimedia.org/api/rest_v1/media/math/render/svg/c26b7da4d9da547de8bb5e03080b37d428ad6929)
![{\displaystyle \pi _{\mathbb {C} }^{1,n}\colon \gamma _{\mathbb {C} }^{1,n}\rightarrow \mathbb {C} P^{n},(z,V)\mapsto V.}](https://wikimedia.org/api/rest_v1/media/math/render/svg/5a27543e4ce989a05702325b3a8ded329bbc8855)
Das ist ein Spezialfall des tautologischen Vektorbündels über Graßmann-Mannigfaltigkeiten.
Tangentialbündel
Für das Tangentialbündel des komplexen projektiven Raumes
gilt:
![{\displaystyle T\mathbb {C} P^{n}\oplus {\underline {\mathbb {C} }}\cong (\gamma _{\mathbb {C} }^{1,n})^{n+1}.}](https://wikimedia.org/api/rest_v1/media/math/render/svg/a158d62f7499e0f7f653a6fb3bfa6dcca93b49df)
K-Gruppen
Es gilt:[17][9]
![{\displaystyle K^{0}(\mathbb {C} P^{n})=\mathbb {Z} ^{n+1}}](https://wikimedia.org/api/rest_v1/media/math/render/svg/38d25e9aac6daa475e7a2b4b30c976e6d563af1f)
![{\displaystyle K^{1}(\mathbb {C} P^{n})=0.}](https://wikimedia.org/api/rest_v1/media/math/render/svg/be950262b84a9609159c8b6fa3f92aa12c311ebe)
Unendlicher komplexer projektiver Raum
Die kanonische Inklusion
erzeugt eine wohldefinierte kanonische Inklusion
. Der direkte Limes dieser Kette an Inklusionen wird als:
![{\displaystyle \mathbb {C} P^{\infty }:=\lim _{n\rightarrow \infty }\mathbb {C} P^{n}}](https://wikimedia.org/api/rest_v1/media/math/render/svg/d2d3c99effe3b3f28192d564208828ba7eafea8f)
bezeichnet und unendlicher komplexer projektiver Raum genannt.[13]
Die obigen Faserbündel
und
erzeugen durch direkten Limes jeweils Faserbündel
[2] und
. Da die unendlich-dimensionale Sphäre
zusammenziehbar ist (also alle Homotopiegruppen verschwinden),[18] folgt aus der langen exakten Sequenz von Homotopiegruppen[12] für die des unendlichen komplexen projektiven Raumes
:
![{\displaystyle \pi _{k}(\mathbb {C} P^{\infty })\cong \pi _{k-1}(S^{1})={\begin{cases}\mathbb {Z} &;k=2\\1&;{\text{sonst.}}\end{cases}}.}](https://wikimedia.org/api/rest_v1/media/math/render/svg/266b5c5e2591fabdd9e8d4bdaf62b103dbae2b49)
Die CW-Struktur überträgt sich ebenfalls durch den direkten Limes, sodass der unendlich komplex projektive Raum
eine CW-Struktur mit einer Zelle in jeder geraden Dimension hat. Mit zellulärer Homologie folgt mit einer abelsche Gruppe
daraus:
![{\displaystyle H_{k}(\mathbb {C} P^{\infty };G)={\begin{cases}G&;k{\text{ gerade}}\\1&;k{\text{ ungerade}}\end{cases}}.}](https://wikimedia.org/api/rest_v1/media/math/render/svg/1e13fcead74e4e2bd15064aa3047c59b6e5b137e)
Das tautologische Linienbündel lässt sich durch den direkten Limes
über die kanonischen Inklusionen
auf
fortsetzen und ist ein Spezialfall eines universellen Vektorbündels. Die Namensgebung kommt daher, dass sich jedes komplexe Linienbündel als zurückgezogenes Vektorbündel aus diesem erhalten lässt, also für jedes komplexe Linienbündel
mit
parakompakt (bis auf Homotopie) eine klassifizierende Abbildung
existiert, sodass
. Es gibt daher eine Isomorphie von Mengen:[19]
![{\displaystyle \operatorname {Vect} _{\mathbb {C} }^{1}(B)\cong [B,\mathbb {C} P^{\infty }].}](https://wikimedia.org/api/rest_v1/media/math/render/svg/0e3f9fba8f4afa6f43cc420637c09ca57b3685a6)
Etwa ist der Rückzug des universellen Vektorbündels
entlang der kanonischen Inklusion
(also
) wieder das tautologische Linienbündel
.
ist
,[13] der klassifizierende Raum von
, der ersten unitären Gruppe, und dadurch ebenso
,[20][13] der zweite Eilenberg–MacLane-Raum von
wie oben bereits gezeigt. Das bedeutet, dass
die zweite singuläre Kohomologie mit ganzen Koeffizienten darstellt (vergleiche mit dem Brownschen Darstellungssatz), also für topologische Räume
mit dem Homotopietyp eines CW-Komplexes (also insbesondere parakompakt[21]) sogar spezieller gilt:
![{\displaystyle \operatorname {Vect} _{\mathbb {C} }^{1}(B)\cong [B,\mathbb {C} P^{\infty }]\cong H^{2}(B;\mathbb {Z} ).}](https://wikimedia.org/api/rest_v1/media/math/render/svg/d87dd99fef961e6b78e2ec678daf531877a90c6f)
Dabei ist der Isomorphismus (Homomorphismus, falls
nicht vom Homotopietyp eines CW-Komplexes ist) durch die erste Chern-Klasse
gegeben.[22]
Der Kohomologiering des unendlichen komplexen projektiven Raumes
mit Koeffizienten in
ist gegeben durch:[16][13]
![{\displaystyle H^{*}(\mathbb {C} P^{\infty };\mathbb {Z} )=\mathbb {Z} [c_{1}],}](https://wikimedia.org/api/rest_v1/media/math/render/svg/868077ef4954c857904aefda6887f59d0df02a19)
wobei
die erste Chern-Klasse ist. Das folgt direkt aus dem allgemeineren Resultat für den klassifizierenden Raum von
:[23]
![{\displaystyle H^{*}(\operatorname {BU} (n);\mathbb {Z} )=\mathbb {Z} [c_{1},\ldots ,c_{n}].}](https://wikimedia.org/api/rest_v1/media/math/render/svg/3d8ba5412b49b3afd3226c9732af443a008f7962)
Siehe auch
Literatur
Weblinks
Einzelnachweise
- ↑ a b Allen Hatcher: Algebraic Topology. 2001, S. 6–7, Example 0.6.
- ↑ a b Allen Hatcher: Algebraic Topology. 2001, S. 377, Example 4.44. (englisch).
- ↑ projective space. Abgerufen am 31. Januar 2024 (englisch).
- ↑ Hopf fibration. Abgerufen am 31. Januar 2024 (englisch).
- ↑ Arnold-Kuiper-Massey theorem. Abgerufen am 5. Februar 2024 (englisch).
- ↑ complex projective 3-space. Abgerufen am 31. Januar 2024 (englisch).
- ↑ a b Allen Hatcher: Algebraic Topology. 2001, S. 180.
- ↑ Michael Farber, Serge Tabachnikov, Sergey Yuzvinsky: Topological robotics: motion planning in projective spaces. 2. Oktober 2002, abgerufen am 31. Januar 2024 (englisch).
- ↑ a b c Virgil Chan: Topological K-theory of complex projective spaces. (PDF) 28. Februar 2013, abgerufen am 31. Januar 2024 (englisch).
- ↑ cell structure of projective spaces. Abgerufen am 31. Januar 2024 (englisch).
- ↑ CW structure of complex projective space. Abgerufen am 31. Januar 2024 (englisch).
- ↑ a b Allen Hatcher: Algebraic Topology. 2001, S. 376, Theorem 4.41.
- ↑ a b c d e f g complex projective space. Abgerufen am 31. Januar 2024 (englisch).
- ↑ Homology of complex projective space. Abgerufen am 30. Januar 2024 (englisch).
- ↑ Cohomology of complex projective space. Abgerufen am 30. Januar 2024 (englisch).
- ↑ a b Allen Hatcher: Algebraic Topology. 2001, S. 213/220, Example 3.12/Theorem 3.19.
- ↑ Allen Hatcher: Vector Bundles and K-theory. November 2017, S. 66, Proposition 2.23.
- ↑ Allen Hatcher: Algebraic Topology. 2001, S. 19, Exercise 16.
- ↑ Allen Hatcher: Vector Bundles and K-theory. November 2017, S. 29, Theorem 1.16.
- ↑ Allen Hatcher: Algebraic Topology. 2001, S. 380, Example 4.50. (englisch).
- ↑ Allen Hatcher: Algebraic Topology. 2001, S. 36, Proposition 1.20.
- ↑ Allen Hatcher: Vector Bundles and K-theory. November 2017, S. 86, Proposition 3.10.
- ↑ Chern class. Abgerufen am 18. Februar 2024 (englisch).